Jahreslosung 2020
Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Markus 9,24 – Jahreslosung 2020
Pfarrer Dr. Christoph Weiling Die Jahreslosung überrascht. Sie enthält einen Widerspruch in sich. Sie ist eine paradoxe Aussage. Und gleichzeitig das vielleicht ehrlichste und stärkste Glaubensbekenntnis im ganzen Neuen Testament. Wer so spricht, hat den ersten Schritt ins Gottvertrauen getan, ins Offene – ein Wagnis, umgeben von Zweifeln und Zögern und angewiesen darauf, durch bestätigende und bestärkende Erfahrungen von Gott genährt zu werden. Wer hier seinen Glauben bekennt, klammert nichts aus und verschweigt nichts. Da redet ein Vertrauernder und Verzweifelnder in einem. Aber gerade das macht dieses kurze Bekenntnis so echt - und so glaubwürdig! Da spricht kein vollmundiger Glaubensheld, der so etwas wie Anfechtung und Zweifel gar nicht kennt. Da redet ein echter Mensch, ein Mensch wie wir. Mit großem Herzen und großen Sorgen. Ausgezehrt durch lange Erfahrungen eigener Hilflosigkeit - aber doch nicht ganz am Ende. Ratlos - aber weiter um Rat suchend. Vielfach enttäuscht, aber nicht gebrochen. Skeptisch, aber nicht hoffnungslos. Auch wenn er mit nichts und niemandem mehr rechnet, so wagt er noch einmal alles. Trotz alledem. "Ich glaube; hilf meinem Unglauben!" Wenn wir diesen Stoßseufzer zu unserem persönlichen Bekenntnis machen, hoffen auch wir, dass Gott uns das Vertrauen wieder schenkt oder stärkt. Dass er unseren Glauben und unser Beten stützt. Nicht mit bloßen Worten, sondern durch Erfahrungen der Kraft und der Liebe. Ich finde es sehr trostreich, dass uns die Jahreslosung 2020 daran erinnert, dass Gott nicht den richtigen, starken, unerschütterlichen Glauben für sein Erbarmen voraussetzt. Schon ein Fünkchen Vertrauen, schon ein bisschen Hoffnung, schon ein stilles Gebet – genügen. Und Hilfe wird zuteil, Sinn wird geschenkt, Antwort wird gegeben. Sicher nicht immer so, dass gleich alles Schlimme wie weggeflogen ist. Aber oftmals so, dass wir gefasster und getroster sein können. Zwar klagt und jammert unser nüchterner Menschenverstand immer wieder. Aber der Glaube vermag mehr als wir denken. Selbst dort, wo alle menschliche Kunst versagt und auch unsere technischen Möglichkeiten enden, kann der Glaube noch wirken. Nicht immer - wie schön wäre das! - durch ein Wunder, aber manchmal auch dadurch, dass er tragen hilft, ertragen hilft und Zuversicht gibt über das Sichtbare hinaus. Denn Glaube heißt: sich an etwas festmachen und den Halt nicht verlieren. Mag Gott an manchen Tagen auch wie abwesend wirken; für den Glauben ist er stets nur ein Gebet weit entfernt.
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